Donnerstag, 28. Oktober 2010

Bericht über die Aufstellung der letzten - inhaltlich jedoch leeren - Tage von Grün, verfasst in einem seltenen Moment außerordentlicher Gesetztheit [Teil 5]

Es war - aufgrund der Tatsächlichkeit, der sich kaum mehr zu überbietenden Memoiren - im Grunde absehbar, dass eine der letzten Fingerzeige Grüns in Richtung derer deuteten, welche dazumal eine gewisse, sicherlich auch historisch-relative, Zuneigung Grün gegenüber zeigten.

Das Faktum, dass tagtäglich Ehen geschlossen und geschieden, dass tagtäglich Beziehungen eingegangen und beendet werden, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese eigentlich dem Ursprung entsprangen, eine gewisse Festigkeit zu erreichen, eine gewisse Gefühllosigkeit zu verlieren beziehungsweise eine besondere Art des Lebens zu verwirklichen, welche da nämlich wäre: die der sogenannten romantischen Liebe.

Grün war niemals einer dieser neurotischen Romantiker. Zwar schrieb er oftmals lange Briefe; aber dennoch erhielt er stets die gleichen Antworten; in diesen ging es um - ja - Kekse, um herzliche Umarmungen, sogar um Miracoli - und zu guter letzt (das soll nicht verhehlt werden) - auch um Hamster.

Es ging aber immer auch um Gedanken, um Tageszeiten, um Leben jenseits des Alltags, um Ideen des neuen Menschen. Um Fragen der Wirklichkeit für die, die da schrieben.



Grün antwortete stets selbstbewusst und wahrheitsgetreu.

Selbstbewusst in dem Sinne, dass er sich seiner Selbst bewusst war; getreu der Wahrheit, die er kannte.

Grün stocherte - was daran lag, dass er kein gebranntes Kind war - in der verkohlten Asche herum und versuchte, die Fetzen zu ordnen, ohne zu wissen, was da verbrannt wurde. Es war einer dieser Abende, an welchen man eigentlich hätte zuhause bleiben sollen. Grüns Idee war wirklich nicht gewesen, jemanden anderes Kohlen aus dem Feuer zu holen. Nein, ganz und gar nicht; als dieses Verbrennen begann, da sah sich die Zukunft weitaus anders an. Denn - und an dieser Stelle sollte daran erinnert werden - die Suche nach Liebe und Freundschaft, nach Beziehungen und Teilnahme, diese Suche ist keine, auf welche man sich experimentell begibt, ganz im Gegenteil, es ist eher Teil eines Selbst, es handelt sich im Grunde genommen um Begleiterscheinungen des Lebens.

(Wäre es nach ihm gegangen, so wären es ganz andere Kohlen gewesen. Es wäre das ganz genaue Gegenteil gewesen von dem, was sich danach entspann. Es wäre um ein mehr gegangen, nicht um ein weniger.)

Begleiterscheinungen des Lebens auszuschalten, das allerdings, war jedoch Grüns Ziel gewesen. Es sollte doch mit rechten Dingen zugehen. Und so geschah es, dass im System immer wieder etwas doch nicht funktionierte, obwohl es doch so gut ausgedacht gewesen war.

Grüns Antworten auf diese "Aussetzer" lassen sich in den Worten Angst, Hass und Verlangsamung zusammenfassen.

Dämpfer dieser Art waren nur ein weiterer Beweis dessen, dass es sich nicht lohnen würde, das Kinn empor zu recken und Höhlen zu Schlitzen zu formen.

Aber, und das sollte nicht vergessen werden: Es war Grün, der an den Wunden leckte, die er aufgerissen hatte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen